Dienstag, 3. Oktober 2017

Ein Treffen von Freunden astronomischer Präzisionspendeluhren, organisiert von Jürgen Ermert

Jürgen Ermert hatte den 2. und 4. Band seiner Buchreihe "Präzisionspendeluhren in Deutschland von 1730 bis 1940" fertiggestellt und auch aus diesem Anlaß langfristig ein Treffen organisiert. Es sollte im Landhotel "Naaf's Häuschen" zwischen Overath und Lohmar stattfinden. Schon im Januar hatte Jürgen den größten Teil organisiert, die Einladungen verschickt und das Hotel mit seinem Tagungsraum gebucht. Ich hatte beschlossen, mir keinen Streß zu machen und schon Freitag abend anzureisen, schließlich hatte ich fast sechs Stunden Fahrt vor mir. Das Landhotel war wohl früher ein größerer Gutshof gewesen, es besteht aus mehreren Gebäuden. Vorn an der Straße gut sichtbar liegt das Restaurant, so daß viele irrtümlich zunächst dort auf den Parkplatz fuhren.


Das eigentliche Landhotel liegt etwas versteckt davor, so daß man als Ortsfremder fast immer vorbeifährt, wenn man von Overath kommt. Hinter dem recht vornehmen Restaurant gab es noch eine rustikale Schänke im ehemaligen Stallgebäude. Das sagte mir für das Abendbrot mehr zu. Mit einigen, die zum Treffen erwartet wurden, hatte ich schon vorher Kontakt, aber ich kannte kaum einen vom Sehen her. Als ich zum Essen ging, sah ich aber Christian Pfeiffer-Belli auf der Terasse sitzen und seinen Vortrag vorbereiten. Wir sprachen kurz miteinander, als mich ein fremder Mann freundlich begrüßte, aber gleich weiterlief. Später stellte sich heraus, daß es Jürgen Ermert war, mit dem ich per Mail schon viel Kontakt hatte.
In der Schänke dachte ich, daß vielleicht schon viele da sein könnten, aber ich saß zunächst alleine da. Später kam ein älterer Herr herein und machte den gleichen suchenden Eindruck wie ich. Ich sprach ihn an, ob er auch zu dem Treffen wolle. Es stellte sich heraus, daß er aus New York gekommen war. Es war Fortunat Mueller-Maerki, der eigentlich aus der Schweiz stammt und eine unglaubliche Sammlung an Uhrenbüchern und Fachtiteln besitzt (wenn ich mir es richtig gemerkt habe, sind es fast 27 000). Er hat darüber eine Liste geführt, in die er auch Literatur aufgenommen hat, die er nicht selbst besitzt, aber deren Aufbewahrungsort er kennt. Er ist Mitglied der NAWCC (National Association of watch & clock collectors).

Am Sonnabend regnete es von früh an. Uns konnte das wenig stören, aber für den Transport der Uhren aus dem Auto war es weniger schön. Jürgen hatte es so organisiert, daß es erst mal bis zum Mittag eine lockere Gesprächsrunde gab, damit sich alle kennenlernen konnten.


Das war sehr klug gedacht, denn wenn man von Anfang an nur im Tagungsaal hockt, kommt man maximal mit seinen Nachbarn etwas ins Gespräch. Es gab noch einen zweiten Raum, in dem einige Uhren präsentiert wurden. Ian Fowler hatte extra einen Ständer gebaut, an dem er das Werk der Ericsson-Pendeluhr, die er später noch im Vortrag beschreiben wollte, zum Gehen brachte.


Wir rätselten über die merkwürdige Anordnung der vier Kontakthebel, die ja die Pendelschwingung sehr zu stören schienen. Torge Berger vom Uhrenmuseum Bad Grund hatte das Werk einer Riefler-Uhr dabei, und auf dem zentralen Tisch, wo auch das restaurierte Gehäuse der Ericsson-Uhr lag, wurden nach und nach immer mehr Uhrwerke gezeigt. Dabei war auch ein sehr altes deutsches Uhrwerk einer Standuhr mit einem Kalender und einem Stundenzeiger, der sich gegen den Uhrzeigersinn bewegte. Über die Anzeige der Mondphase und des Mondalters begann eine heftige Diskussion, und das Problem konnte, so glaube ich, bis zum Ende der Tagung nicht geklärt werden. Unter der Anzeige drehten sich zwei Räder, die beide in das gleiche Trieb eingriffen. Eines hatte 59, das andere 57 Zähne, woraus man schloß, daß es sich um die sinodische und siderische Mondphasenanzeige handeln müsse. Aber was genau auf dem Zifferblatt dargestellt wurde, konnte wohl nicht geklärt werden.


Am Fenster stand ein Standuhrgehäuse mit einem Riefler-Pendel, einigen elektrischen Relais und sehr viel Verdrahtung. Das Gehäuse war einfach, man konnte sehen, daß es sich mehr um eine Versuchsanordnung als um eine Uhr handelte. Der Besitzer hatte sie vom Dachboden einer Ingenieurschule gerettet  und wird sie wohl auch noch vor dem einen oder anderen bewahren müssen, der mehr an dem Pendel als an allem anderen interessiert ist. Es soll sich wohl um eine ungewöhnliche Ausführung des Rieflerpendels mit stärker gewölbter Linse handeln, und der Pendelstab ist mit "KRUPP" gestempelt. Aber der Versuchsaufbau ist ebenso interessant, denn man hat versucht, die Kugelhemmung, bei der das Pendel völlig frei nur durch das abwechselnde Übergewicht zweier Kugeln angetrieben wird, elektrisch zu betätigen. Leider fehlte aber gerade der Steuerkontakt und zwei der Gewichte. Man müßte nach der Verdrahtung den Schaltplan aufzeichnen, um verstehen zu können, wie es einmal gedacht war und wie das fehlende Teil ausgesehen haben könnte.


Nach dem Mittagessen wußte nun jeder schon ein bißchen mehr von den anderen, so daß die Atmosphäre im Tagungsraum recht locker und angenehm war. Jürgen Ermert sprach einige einleitende Sätze und erhielt sehr viel Beifall für seine beiden Buchbände, wenngleich wir uns es nicht verkneifen konnten, ihn immer wieder zu Band 5 anzustacheln.


Christian Pfeiffer-Belli eröffnete die Vortragsserie mit einer kurzen Erzählung über seinen persönlichen Werdegang und die Entstehung der Buchreihe, an deren Layout er mit beteiligt war. Und er erzählte vom Nachbau einer historischen Präzisionspendeluhr durch Josef Sulzer, der darüber auch ein Buch verfaßt hatte:
Josef Sulzer - Wien - Pendeluhren
Herausgeber: Verlag Neumann Wien
Gestaltung: Josef Sulzer
ISBN 978-3-902462-08-4
Danach sprach Stefan Muser von Auktionshaus Crott über Erlebnisse beim Ankauf und der Versteigerung von Pendeluhren. Es gibt leider immer wieder Kunden, die Präzisionspendeluhren ersteigern, ohne sich darüber zu informieren, was es damit auf sich hat und wie man so eine Uhr behandelt. Sie haben einfach nur Geld und wollen sich mal was Gutes gönnen. Da das Auktionshaus die Uhr oft auch liefert und aufstellt, gibt es dann vor Ort manchmal Überraschungen. So zum Beispiel mit einer Tankuhr mit Glaspendel, die an einer völlig ungeeigneten Wand befestigt werden sollte.
Stefan Muser erzählte, mit welch teils hohem Aufwand die Kataloge erstellt werden und daß er, obwohl das Geschäft immer schwieriger wird, gerne an den Großuhren festhalten würde. Immerhin ist sein Auktionshaus das einzige in Europa, was solch einen Umfang an Pendeluhren in die Auktionen aufnimmt. Es kam zu einer Diskussion, wie man vor allem die Jugend für die Uhren begeistern könne. Die Sammler überaltern und sterben, es sind immer mehr vererbte Sammlungen auf dem Markt, auf der anderen Seite aber weniger Interessenten. Der Preisverfall zeigt sich bei allen Antiquitäten. Vielleicht muß man eine Brücke bauen, denn die Jugend hat nicht von der Kindheit an Kontakt mit mechanischen Uhren gehabt wie wir. Wir sind über das Weckerbasteln zur Pendeluhr gekommen, die heutige Jugend muß den Sprung von Handy und Computer gleich zur Präzisionsuhr schaffen. Vielleicht sollten wir in eigenem Interesse dort mal ansetzen, denn es gibt kaum Literatur oder andere Einstiegsmöglichkeiten für Anfänger auf diesem Gebiet, die so angelegt sind, daß sie ein Interesse von Null an wecken könnten.
Nach Stefan Muser fachsimpelte Thomas Rebényi vom Deutschen Museum München über grundsätzliche Fragen, mit denen ein restaurierender Uhrmacher konfrontiert ist. Für das Museum steht der Erinnerungswert im Vordergrund, Herstellungs- und Abnutzungsspuren müssen erhalten und konserviert werden, auch wenn die Uhr dadurch nicht funktioniert. Der Originalzustand ist zunächst mal der, in dem der Restaurator das Stück vorfindet. Der selbständige Uhrmacher ist aber meist mit der Erwartung des Kunden konfrontiert, daß die Uhr wieder einwandfrei wie am ersten Tag funktionieren soll. Hier ist der Uhrmacher gefordert, dann wenigstens mit zeitgenössischen Mitteln zu arbeiten und die neu angefertigten Stücke zu kennzeichnen.
Während des Vortrages fiel mir ein, daß ich Thomas Rebényi schon kannte, er hatte uns ja beim Besuch der Restaurationswerkstatt mit Jan Sliva geführt. Er stellte nun einige Uhren des Museums vor, so zum Beispiel eine Uhr von Klindworth, die noch Steine und Paletten aus Achat hatte. Die Uhrmacher waren zu der Zeit noch nicht in der Lage, den harten Rubin zu bohren. Der weichere Achat hatte aber in dieser Uhr oval ausgelaufene Bohrungen. Im Museum wird so etwas nicht repariert, denn dann wäre diese Information verloren.
Um die Riefler Nr.1 aus dem Museum gab es eine Diskussion, da diese Uhr bereits eine Entkopplung des Gehäuses von der Aufhängung hat. Herr Karl Langer hatte einen Buchartikel mit, in dem beschrieben wird, daß es diese Aufhängung erst nach der Nr. 31 gegeben haben kann, weshalb das ein späterer Umbau sein muß. Zuletzt stellte er noch die Riefler Nr.47 vor, die ein kürzeres Pendel und ein Gangrad mit 25 Zähnen hat und deren Sekundenzeiger in 36 Sekunden eine Umdrehung vollführt. Riefler hatte den Versuch unternommen, die Stunden dezimal zu teilen, was jetzt unter uns Zuhörern ein etwas verwirrendes Rechnen auslöste. Aus dem gleichen Grund hat wohl damals Riefler diese Uhr dem Museum vermacht.
In der Specola Vaticana, der Sternwarte des Vatikans, sollte er einmal eine Pendeluhr in Gang setzen, die eine Denison-Schwerkrafthemmung hatte. Die beiden Gewichtshebel der Hemmung benötigen am Pendel je eine Angriffsfläche, die an einem ankerförmigen Bügel sitzt. Dieses Teil hatte jedoch am Pendel gefehlt, so hatte dort jemand aus einer Metallklemme und Sechskantmuttern Ersatz drangebastelt! Die Sache klärte sich auf, als man in der Sternwarte in einer anderen Uhr ein Pendel fand, das genau diesen Bogen hatte. Irgendwann hatte mal jemand die Pendel vertauscht,und wir wissen nicht, ob es mit Absicht wegen Mängeln an einem Pendel oder aus Unwissenheit geschehen ist. Thomas Rebényi beschloß seinen Vortrag mit der Vorstellung einer Berthoud-Uhr von 1808.
Im Anschluß berichtete uns Ihno Fleßner in seiner lockeren Erzählweise etwas aus seiner Arbeit in der Uhrmacherwerkstatt. Die Hamburger Sternwarte in Bergedorf hatte einen großen Bestand an Uhren und Instrumenten. Irgendwann war man es dort aber satt, all den Kram, den man ja nicht mehr brauchen konnte, bei jeder Inventur zählen zu müssen. So wurde die Sammlung aufgelöst. Eine Tankuhr von Tiede kam zur Uhrmacherschule in Hamburg, wo man sie aber nicht zum Gehen überreden konnte. Ihno Fleßner reparierte das gute Stück. Er zeigte uns Bilder von der sehr sinnvoll konstruierten Schwerkrafthemmung, die er zusammen mit Torge Berger zum Laufen brachte. Die Triebhebel sitzen nicht auf Wellen, sondern sind an 0,03mm starken Federn befestigt! Die Triebe der Uhr haben den Glashütter Einstich, durch den am Zahngrund der dünne Faden entsteht, an dem man sofort erkennen kann, ob das Trieb rund läuft. Wie bei anderen Uhren auch ist das Antriebsrad mit Walze und Gegengesperr das komplizierteste Bauteil, zumal diese Uhr noch einen Aufzugsstopp hat. Interessant ist auch die Abfallverstellung mit einem Schneckenrad. Nach der Fertigstellung und Rückgabe der Uhr an die Uhrmacherschule stand man dort vor dem Problem, die Uhr nun am Laufen zu halten. Denn die Gangreserve reicht nicht, daß sie die Ferien über durchläuft.
Er zeigte auch Bilder aus einer Werkstatt in Hamburg, wo eine Pendeluhr als Zeitnormal für die Einregulierung der Chronometer diente. Als er die Werkstatt, die der Bundeswehr unterstellt war, besuchte, um die Uhr zu fotografieren, wurde mit auf den Sucher geschaut, damit er nichts von außerhalb mit aufnahm. So geheim war das damals auch im Westen. Auch die Chronometer räumte man alle vom Regal.
Dann zeigte Ihno Fleßner noch Bilder einer Uhr von Kittel, der der Gründer der Uhrmacherschule in Altona war. Es war eine Uhr mit Schwerkrafthemmung und einem Hemmrad nach Winnerl. Jürgen Ermert äußerte aber die Ansicht, daß diese Hemmung eine Erfindung Adolf Langes sein müsse. Lange hat ja bei Winnerl gearbeitet, und es existieren keine Uhren von Winnerl selbst mit dieser Form des Hemmrades. Wohl aber von Lange und von Uhrmachern, die mit Adolf Lange bei Winnerl und auch später im Kontakt standen.
Zum Abschluß des Tages sprach wieder ein Mann des Museums, so daß sich ein gesunder Mix verschiedener Sichtweisen ergab. Michael Beck vom astronomisch-physikalischen Kabinett in Kassel stellte uns ältere Stücke vor, denn rein wissenschaftliche PPU vom Stil Strasser und Riefler sind in der Sammlung seines Museums weniger vertreten. In Kassel befindet sich die ältere der beiden astronomischen Uhren von Baldewein und Bucher. Zur Zeit wird dort eine Sonderausstellung mit umfassenden Erklärungen und zahlreichen Animationen gezeigt. Jost Bürgi, ein Schüler und Nachfolger von Baldewein, hat die älteste bekannte Uhr mit Remontoir, also einem Nachspannwerk, gebaut. Die Uhr läuft vier Wochen und hebt alle 24 Stunden ein Gewicht an, welches das Gehwerk dann antreibt. Allerdings hat die Uhr keinen Antrieb in der Phase, wo das Gewicht gehoben wird. Das wurde nicht für nötig erachtet, da die Spindelhemmung von selbst anläuft und ohnehin nicht so genau läuft, daß man das bemerken würde. Zu guter Letzt zeigte er noch Bilder eines Werkes von Strasser, welches eine Kontaktnockenwalze hat, mit der das Zeitsignal von Nauen erzeugt wurde.

Nun war aber unser Aufnahmevermögen erschöpft, und wir ließen den Tag im "Stall" beim Essen vom heißen Stein ausklingen. Ich unterhielt mich mit Ian Fowler, der ein sehr angenehmer Gesprächspartner ist und ähnlich wie ich doch lieber ältere Uhren repariert, an denen man noch viel mit rein handwerklichen Methoden bewirken kann.

Am folgenden Sonntag sollte es schon halb neun weitergehen, da einige wegen des langen Fahrweges mittag nach Hause aufbrechen wollten. Ich hatte vorsichtshalber noch eine Übernachtung gebucht, denn ich mag es nicht, eine eigentlich gemütliche und interessante Diskussion von dem Druck, noch sechs Stunden Fahrt vor mir zu haben, begleitet zu wissen.
Günther Oestmann eröffnete die Vortragsreihe mit einem Beitrag über die Uhren von Kessels. Dabei erklärte er uns die charakteristischen Merkmale der wenigen erhaltenen Uhren. Die Laufwerke sind geradlinig angeordnet und haben zehnzähnige Triebe. Räder und Zapfen sind außergewöhnlich zart, um die Reibung zu vermindern. Aus gleichem Grund hat Kessels die Grahamhemmung so modifiziert, daß der Anker nur über 5,5 Zähne übergreift. Der kleine Anker erfordert deshalb eine sehr präzise Fertigung und Einstellung. Die Hebung ist 1,3°. Die Zartheit der Teile hat Kessels zu entschärfen versucht, indem er für das Ankerrad die Zähne so kurz und stabil wie möglich gestaltet hat. Kessels hat die Platinen am Anker und Gangrad geschlitzt, so daß man diese nach Abnehmen der Kloben leichter einzeln ausbauen kann. Er zog Lager aus einer Kupferbronze den Steinlagern vor, weil er dachte, daß dadurch das Öl länger flüssig bleibt. Seine Rostpendel versah er mit Blattfedern zur Entlastung, zuerst oben, später dann unten, um die Verspannung der Stäbe durch das Pendelgewicht zu kompensieren. Aber mit der Funktion war er wohl selbst nicht so zufrieden. Zink hielt er für den Pendelstab im Ganzen ungeeignet, weil er meinte, es sei zu weich und würde sich durch die Last der Linse verformen. Deshalb hat er selbst auch keine Zink-Kompensationspendel gebaut und nur kurze Zinkröhrchen als Zusatzkompensation verwendet. Das wird aber immer wieder, weil eben auch einer vom anderen abschreibt, behauptet und findet sich auch in Schriften von Grossmann und Dietschold.

Ian Fowler erzählte uns nun etwas über die Restaurierung der Pendeluhr Nr.17 von A. Ericsson aus St. Petersburg aus der Zeit 1882/83. Der gebürtige Schwede Ericsson war ein Chronometermacher, der in St. Petersburg das Geschäft von Viktor Pihl übernahm. Sein Grahamanker übergreift 6,5 Zähne. Das Pendel hatte ursprünglich eine Luftdruck-Kompensation mit einem Quecksilber-Barometerröhrchen, von dem noch die Halterung vorhanden war. Ian zeigte auch ein Bild der merkwürdigen Kontakteinrichtung von der Rückseite. Die Verdrahtung läßt vermuten, daß es sich um einen Polwendekontakt für eine Sekunden-Nebenuhr handelt. Das würde die für die ungestörte Schwingung des Pendels eher ungünstige Anlenkung erklären, die hier dadurch notwendig wird, daß immer beide Kontakte einer Seite, aber niemals beide Seiten der Kontakte gleichzeitig geschlossen sein dürfen. Wir diskutierten dann über die Gefährlichkeit von Quecksilber. Während Ian meinte, man müsse bedenken, daß man es früher auch viel für Heilzwecke und Salben verwendet hat, wurde es von anderen kategorisch abgelehnt. Da das Quecksilber bei dieser Uhr ohnehin fehlte, hat er es durch ein Stück Bleirohr ersetzt, welches er mit Spiegelfolie aus dem Baumarkt beklebt hat. Das sah schon täuschend echt aus. Andere machten den Vorschlag, einen Aluminiumzylinder mit Bleikugeln zu füllen.

Danach beschrieb uns Dr. Benedikt Große-Hovest, der als Restaurator für antike Holzmöbel tätig ist und sich auch dem Holz alter Häuser fachgerecht zuwendet, wie er das Gehäuse dieser Uhr so original wie möglich versucht hat zu erhalten. Die Bilder des Ausgangszustandes lassen erahnen, welche Arbeit darin steckt. Denn das Gehäuse, was in der ehemaligen DDR mit einer undefinierbaren Farbe dick überpinselt und mit Nägeln zusammengehalten wurde, war in einem schlimmen Zustand. Dazu kommt, daß man ursprünglich nur die obere Tür am Zifferblatt öffnen konnte. Dadurch mußte man aber das Gehäuse jedesmal entfernen, wenn man am Pendel regulieren wollte, weshalb man die Front abtrennte und mit Scharnieren befestigte. Dadurch verlor das Gehäuse aber an Stabilität. Benedikt Große-Hovest warnte davor, solche Sachen abzuschleifen, weil dadurch die ursprüngliche Oberfläche, die ja schon mal sehr glatt war, unnötig verändert und vor allem aber heller wird. Dann sehen solche Gehäuse einfach viel zu neu aus. Er benutzte nur chemische Mittel zum Entfernen. Zum Leimen sollte man nur Knochenleim verwenden, denn dieser ist elastischer und läßt sich jederzeit wieder lösen, was bei dem wasserfesten Ponal-Kaltleim nicht möglich ist.

Zum Abschluß erzählte Ihno Fleßner etwas über Pendeluhren aus Glashütte. Er besitzt ja selbst einige Uhren von Strasser & Rohde. In der Universität Jena sollte er eine Uhr reparieren und entdeckte durch eine Glastür zwei weitere Strasser & Rohde-Uhren. Er dachte, daß es sich um die Besenkammer handele, weil Besen und Papierkorb danebenstanden und schrieb einen recht deutlichen Brief an die Direktion. Er bekam eine ebenso deutliche Antwort, daß man ganz bewußt die Uhren dort aufgehängt hätte, weil es die Mauer war, auf der die Kuppel der Sternwarte stand und die deshalb besonders massiv war. Letztendlich bekam er aber doch den Auftrag, auch diese Uhren zu reparieren. Man hatte den Raum um die Uhren herum renoviert, in den zuvor auch öfters Wasser eingedrungen war. Die Gehäuse waren deshalb auch in einem jämmerlichen Zustand. Eine Uhr hat eine längs verstellbare Ankergabel mit einem seitlichen Gewicht, welches wohl erst nachträglich angebracht wurde. Dafür konnten wir nur vom Bild aus auch keine schlüssige Erklärung finden. Amüsiert berichtete er von einem früheren Besuch in der Werkstatt von Karl Friebel in Glashütte. Ich kenne diese Werkstatt auch noch. Man mußte eine enge, gewundene Treppe hinaufsteigen. Auf halber Höhe hatte Karl ein Schild angebracht: "Reparaturannahme jeden 3.Donnertag von 8-12 Uhr". So etwas war für Ihno Fleßner als Werkstattinhaber nicht so richtig zu verstehen.


Zum Abschluß bedankte sich einer der Teilnehmer im Namen aller noch einmal ausdrücklich und sehr herzlich bei Jürgen Ermert für die tolle Organisation, und wir spendeten lange Beifall. Es war wirklich sehr gelungen, die Vorträge sehr informativ und vor allem herrschte eine sehr offene Stimmung. Jeder konnte frei seine Meinung äußern, man merkte deutlich, daß die meisten dankbar für jedes Interesse sind und jeder versuchte, alles so sachlich wie möglich zu beantworten. Zu keinem Zeitpunkt hatte man das Gefühl, daß da nur gehobene Experten sitzen, die abfällig die Nase rümpfen, wenn einer mit weniger Vorkenntnis eine Elementarfrage stellt.

Wie Jürgen erzählte, gab es aber während der Arbeit an den Büchern immer wieder unschöne Erlebnisse, die nur schwer zu verstehen sind. Immerhin ist der Freundeskreis der Präzisionspendeluhren ein sehr kleiner Personenkreis, der alles dafür tun sollte, andere mitzunehmen und zu begeistern. Man kann weder reich noch berühmt damit werden. Warum gibt es dann immer noch Leute, die um die Rechte an einzelnen Bildern und Textpassagen bis vor Gericht ziehen? Geht es doch hier nicht um Bilder, die Millionen interessieren und dem Urheber Reichtum bringen könnten. Im Gegenteil, in unserem kleinen Kreis sollte jeder doch froh sein, wenn sich mindestens noch eine zweite Person dafür interessiert, es veröffentlicht und damit Werbung für diese Uhren macht. Ebenso unverständlich war für mich der Ärger mit der Weitergabe unserer Adressen, den Jürgen im Laufe der Organisation hatte. Dient das Treffen nicht vor allem dazu, neue Kontakte zu gewinnen und als fachkompetenter Ansprechpartner für solche Uhren bekannt zu werden? Da wird mit der Datenschutzkeule gedroht, und im nächsten Moment meldet man sich mit der gleichen Mailadresse bei Amazon oder sonstwo an. Hier würde ich mich freuen, wenn die Arbeit derjenigen, die so etwas auf die Beine stellen, mehr geachtet wird und man noch viel toleranter miteinander umgeht.