Sonntag, 28. Januar 2018

Bau einer elektrischen Halbsekunden-Pendeluhr auf Basis der Brillié- Teil 1

Seit längerem trage ich mich mit dem Gedanken, nun auch mal eine eigene Uhr zu entwerfen und zu bauen. Bisher habe ich das ja nur für andere getan. Wer nun meint, wenn man es für sich selbst tut, hat man alle Freiheiten der Welt, so wird man seinen Irrtum bald bemerken, wenn man damit beginnt. Dabei macht es noch einen Unterschied, ob man es als Hobby betreibt oder ob es einen mit ernähren soll. Es beginnt mit den Möglichkeiten, die einem die Ausrüstung der eigenen Werkstatt bietet und wird auch maßgeblich davon bestimmt, welchen finanziellen Spielraum man hat.
Ich verfolge das Ziel, diese Uhren irgendwann einmal mit Gewinn verkaufen zu können und möchte doch etwas tun, was von Herzen kommt und mir Freude macht. Denn letztendlich ist es nicht nur die Uhr, sondern auch unsere Emotionen, die Einstellung dazu und die Geschichte ihrer Entstehung, die die Leute dazu bewegt, gerade diese Uhr zu begehren oder eben auch abzulehnen.

Die meisten, denen ich davon erzählt habe, meinten, ich müsse doch verrückt sein. Warum gerade eine Pendeluhr, die liegen doch wie Blei auf dem Markt, und dazu noch eine elektrische. Mach doch eine schöne Armbanduhr, dafür gibt es wenigstens noch ein paar Käufer. Ja gut, da ist ein kleiner Teich, aber da schwimmen auch viele Fische drin. Ich muß mit etwas beginnen, was ich in meiner kleinen Werkstatt ohne CNC-Technik herstellen kann. Dann soll es handwerklich machbar sein, und das soll man auch sehen können. Ich stelle mir schon die Frage, warum die Leute heute so wenig Pendeluhren nachfragen. So eine Uhr ist doch etwas, was den Wohnraum einerseits belebt, dem Haus ein schlagendes Herz verleiht. Und sie ist ein Ruhepol. Ich schaue oft mal ein paar Minuten auf die ruhigen Schwingungen meines schweren Sekundenpendels, wenn sich der PC gerade mal durch mein 1500 kb/s-Internet ein Windows-Update holen will und nichts mit mir zu tun haben will. Aber meine Uhr steht in meiner Werkstatt, weil meine Frau meint, sie paßt nun mal nicht zu den Möbeln im Wohnzimmer. Da geht es los, die Sekundenpendeluhr ist ein ziemlich großes und dominantes Möbelstück! Und die kleinere Lenzkirch mit ihren tausenden gedrechselten Zierteilen paßt nicht zum Ikea-Schrank. Dann weiß ich als Fachmann zwar, daß diese Uhren sehr schön gefertigte, massive Werke haben, wo die teils noch von Hand geschenkelten Räder alles andere als steril wirken und man sich stundenlag an den Formen und Bewegungen erfreuen könnte. Wenn da nicht dieser Kasten drum wäre und das Zifferblatt alles verdeckt. So bleibt mir nur das geheime Wissen darum und die Freude, wenn ich das Werk mal herausnehme. Schade eigentlich.

Gut, also sollte die Uhr nicht so groß sein und sie soll zeigen, was sie hat. So, daß man sie noch als Accessoire und nicht als Möbel empfindet, als funktionierende Deko sozusagen. Aber auch nicht so verwirrend wie eine Skelettuhr, die Zeit sollte man schon noch deutlich erkennen können. Die Leute, die in Glashütte ins Museum gehen, finden oft die kleine Halbsekunden-Pendeluhr so schön, die F.A. Lange ganz zu Beginn unter Verwendung eines französischen Japy-Werkes gebaut hat. Sie ist schlicht und nicht zu groß, sehr zeitlos gestaltet. Aber schon Lange ist beim Bau auf ein Problem dieser Uhren gestoßen: die Halbsekunden-Pendeluhr kann man nur mit Federantrieb vernünftig bauen. Bei der geringen Fallhöhe bräuchte man sonst ein sehr schweres Gewicht und ein ein entsprechend stabiles Gehäuse und Werk, was die Uhr wieder vergrößert. Beim Federantrieb würde man aber gerade bei dem kurzen Pendel eine merkliche Gangabweichung spüren. Deshalb hat ja Lange die Federhemmung mit konstanter Kraft verwendet. Ich müßte also eine ähnliche Hemmung bauen oder zumindest Kette und Schnecke verwenden. Das hätte ich auch getan, aber das kostet viel Zeit für die Beschaffung und vor allem die Erprobung. Wenn es ein Hobby wäre, gerne, aber die Uhr soll mal verkäuflich sein, und ich müßte diese Zeit und den Aufwand mit verrechnen. Entweder spare ich am handwerklichen Aufwand, oder ich baue was, das sich nur Superreiche leisten können. Ich möchte aber lieber etwas schaffen, was sich vor allem Menschen gönnen, die es aus Liebe zur Uhr machen und wahre Freude daran empfinden können. Die haben meistens ihr Geld mit Arbeit verdient und deshalb nicht so viel übrig.


So bin ich auf die Uhren der französischen Marke Brillié gestoßen. Es sind Industrieuhren, gebaut, um Uhrenanlagen zu steuern. Zum Beginn ihrer Herstellungszeit hat man solche Dinge aber noch für die Ewigkeit gefertigt und auch darauf geachtet, daß es trotzdem ästhetisch und wertig wirkt. Handwerkerehre eben. Ich war mal in einem Kraftwerksmuseum, dort sieht man die großen, marmornen Schalttafeln mit den schönen, aufgesetzten Meßinstrumenten, häufig noch im Messinggehäuse.


Die Brilliés werden elektrisch angetrieben, und folgerichtig ist auch diese Uhr auf einer 2cm dicken Marmorplatte aufgebaut, die mit ihrer Masse auch dafür sorgt, daß das Pendel eine stabile und ruhige Aufhängung findet.



Warum nun der elektrische Antrieb, wie ist das mit einer hochwertigen Uhr zu vereinbaren? Nun, ich denke, es hängt gar nicht davon ab, woher die Uhr ihre Energie bezieht, sondern mit welcher Sorgfalt sie gefertigt wurde. Die Brillié ist schon so, wie sie ist, optisch ansprechend und wenngleich auch kaum finissiert, doch sehr massiv gebaut. Das Pendel hat einen Invarstab, und man kann sie schon in der jetzigen Qualität auf unter 1s/Tag regulieren. Ein schönes Ausgangsmaterial, aus dem ich etwas machen kann.
Viele dieser Uhren wurden nicht von Uhrmachern, sondern von Ingenieuren entwickelt. Betrachten wir sie mit den Augen des Uhrmachers, erkennen wir, daß wir hier die gleichen Gesetze anwenden müssen wie bei der rein mechanischen Uhr. Vergessen wir den elektrischen Strom und sprechen mal einfach von den antreibenden und bremsenden Kraftimpulsen, denen das Pendel ausgesetzt ist. So müssen wir durch eine geeignete Kontaktvorrichtung dafür sorgen, daß der Antriebsimpuls möglichst nahe und gleichmäßig nach links und rechts verteilt vom Nullpunkt kommt. Und alle Störimpulse, die dem Pendel Kraft entziehen, sollen sehr klein und gleichmäßig sein. Da das Pendel hier der Motor ist und das Uhrwerk antreibt, ist die Anforderung an die mechanische Kontaktvorrichtung, die man durchaus mit einer Hemmung gleichsetzen kann, schon recht hoch, und das Gleiche gilt für das Räderwerk. Wenn man nur das Innere des Zifferblattes aufbricht, so daß man diesen Hebeln und Klinken bei der Arbeit zuschauen kann, ist es sicher auch für den Freund reiner Mechanik reizvoll.
Die Wahl diese Antriebsprinzips bietet mir die Möglichkeit, eine kleine Uhr, die sehr universell aufgestellt werden kann, mit einem vertretbaren Aufwand zu bauen und doch mechanisch interessant zu gestalten. Der Kunde hat eine Uhr, die mehr als vier Jahre mit einer Batterie recht genau läuft und so auch im verwaisten Hobbyraum des vielbeschäftigten Geschäftsmannes ihren Dienst tut.


Später könnte ich noch interessantere Steuerungen, wie zum Beispiel den Hipp'schen Kontakt, einbauen. Wie so etwas aussieht, kann man an einer Halbsekundenpendeluhr von C. Verhagen im Glashütter Uhrenmuseum studieren, die Piet Andriessen gestiftet hat.