Unser Zeitnormal ist ein mechanisches Schwingsystem, meistens sind es Pendel oder Unruhen. Während dessen Schwingung findet ständig eine Energieumwandlung statt, und das Schwingsystem ist umso unempfindlicher, desto größer diese hin- und hergeschobene Energiemenge ist. Beschränken wir uns im Folgenden auf das Pendel, da sich ja der Text auf die Halbsekunden-Pendeluhr bezieht. Wegen der hier stattfindenden Umwandlung von Bewegungs- in Lageenergie und umgekehrt müssen wir es so schwer wie möglich machen und dafür sorgen, daß der Energieverlust gering bleibt. Anders als bei der Unruh ist uns hier die Möglichkeit, durch eine größere Amplitude und Frequenz die Energie zu erhöhen, versagt. Die Pendelschwingung ist nicht isochron, und das umso mehr, je höher das Pendelgewicht gegenüber der Nullage beim Ausschwingen angehoben wird. Dem System Pendel wird nun durch Reibung in der Luft und der inneren Reibung der Pendelfeder Energie entzogen, solange wir es nicht noch mit einem Uhrwerk verbinden. Ein oft vernachlässigtes Schlupfloch, durch welches auch Energie entwischt, ist die innere Reibung im Material der Aufhängung, wenn diese beginnt, mit dem Pendel mitzuschwingen. Deshalb soll das Gestell so schwer und massiv wie möglich sein, oder wir befestigen die Uhr eben an einer massiven Wand.
Verbinden wir das Pendel mit dem Uhrwerk, entziehen wir ihm zusätzlich Energie. Bei der mechanischen Uhr geschieht diese Verbindung durch die Hemmung, die den freien Ablauf des federbelasteten Laufwerkes hemmt und ihm den Takt des Schwingsystems aufzwingt, wobei sie ihm im gleichen Rhythmus Energieimpulse zur Auslösung entzieht und durch die Hebung wieder zuführt. Bei der elektromechanischen Uhr gibt es eine vergleichbare Antriebsbaugruppe, die aber völlig andere Aufgaben übernehmen muß. Das Laufwerk ist nicht federbelastet, sondern wird angetrieben und ist hier vergleichbar mit einem Zählwerk. Es gibt nun zwei Arten, wie das Schwingsystem diesen Antrieb steuert.
Beim direkten Antrieb ist das Schwingsystem selbst der Motor (es gibt sogar den Begriff "Motorpendel"). Das Pendel wird durch elektromagnetische Kraftimpulse angetrieben und treibt durch einen Fortschaltmechanismus das Laufwerk. Während dieses Antriebes müssen auch im richtigen Moment durch eine geeignete Mechanik die Kontaktschlüsse gesteuert werden.
direkter Antrieb bei Alexander Bain |
Der indirekte Antrieb ist eigentlich nichts weiter wie eine mechanische Uhr, die eine Hemmung mit einer elektrischen Nachspannvorrichtung besitzt. Das Nachspannsystem entspricht einer mechanischen Hemmung, die aber nicht den Ablauf des Laufwerkes hemmt, sondern einen Energiespeicher blockiert. Das Schwingsystem löst diese Blockierung, die gespeicherte mechanische Energie gibt ihm den Kraftimpuls. Ist der Energiespeicher entladen, schließt er einen Kontakt, wodurch er, während das Schwingsystem seinen Ergänzungsbogen schwingt, durch einen Elektromagneten wieder bis zum Einrasten der Blockiermechanik (=Hemmung) gespannt wird. Während dieses "Aufzugsvorgangs" wird auch das Laufwerk vom Nachspannmechanismus weitergeschalten, so daß das Schwingsystem davon "entlastet" wird. Solche Uhren, die es als Pendeluhr (Synchronome) und Unruhuhren (GUB Elektrochron) gibt, erreichen wegen der konstanten Antriebsenergie und der Entkopplung des Schwingers vom Laufwerk sehr hohe Gangleistungen.
indirekter Antrieb einer Synchronome-Sekundenpendeluhr |
Totpunktfeder-Hemmung der GUB Elektrochron |
elektromagnetischer Antrieb der GUB Elektrochron |
Trotzdem habe ich mich beim Bau meiner Uhr zunächst für den direkten Antrieb entschieden. Wer die zuvor genannten Uhren kennt, kann sich auch denken, warum. Das "Aufladen" des Energiespeichers muß in einer sehr kurzen Zeit geschehen, sozusagen schlagartig. Und dieses Wort umschreibt auch ganz gut die Geräuschentwicklung solcher Uhren. Direkt angetriebene Uhren dagegen haben nur die Fortschalt- und Kontaktmechanik als Geräuschquelle, und beides geht bei einem Halbsekundenpendel noch recht weich vonstatten.
Durch die Energieabgabe des Pendels an das Laufwerk und die -zufuhr durch den Elektromagneten entstehen Stöße auf das Pendel, die dessen Schwingungsdauer beeinflussen. Wie diese Stöße auf die Schwingungsdauer wirken, hängt von deren Lage und Richtung bezogen auf die Nullage des Pendels ab. Ein Stoß von der Mittellage weg verlangsamt die Schwingung, zur Mittellage hin beschleunigt er sie. Das ist eigentlich recht einleuchtend, schwieriger wird es, die wirkliche Kraftrichtung im Einzelnen zu bestimmen, da man sich nicht von der augenblicklichen Bewegungsrichtung des Pendels irremachen lassen darf. Es zählt die Richtung des Impulses.
Beispiel eines Stoß-Bewegungs-Schemas einer direkt angetriebenen elektromechanischen Pendeluhr. |
Schon alleine diese Betrachtung führt schnell zu dem Schluß, daß auch beim elektrisch direkt angetriebenen Pendel höchste Anforderungen an die Qualität aller mechanischen Bauteile, die direkt mit dem Pendel zusammenwirken, gestellt werden müssen. Es geht darum, die bremsenden Stöße, die das Pendel durch die Energieabgabe zum Antrieb des Laufwerkes zwangsläufig erhält, möglichst gleichmäßig zu halten. Nimmt man ein einfaches Pendel und koppelt es mit einer Schubklinke, welches nur ein Rad fortschaltet, kann man das schon gut beobachten. Gibt man dem Rad eine Unwucht und mißt die Pendelfrequenz mit Hilfe eines optischen Aufnehmers und der Zeitwaage, wird man eine Schwankung der Schwingungsdauer im Rhythmus der Unwucht des Rades feststellen. Das liegt an dem schwankenden Drehwiderstand, der sich als Stoß auf das Pendel bei jeder Fortschaltung überträgt. Deshalb sollten bei allen Pendeluhren, auch bei mechanischen, sämtliche Teile des Räderwerkes ausgewuchtet sein. Bei mechanischen Uhren würde sich eine Unwucht im Räderwerk, die auch durch die Zeiger verursacht werden kann, auf die Stärke der Auslösung und der Hebung auswirken.
Deshalb ist die Anforderung an die Qualität des Laufwerkes bei mechanischen und direkt angetriebenen elektrischen Uhren die gleiche. Auch die Forderung an Zeitdauer, Lage und Gleichmäßigkeit der Antriebsimpulse ist gleich hoch, nur daß sie eben bei elektrischen Uhren anders erzeugt werden. Und da gibt es einige Besonderheiten zu beachten.
Damit der Antriebsimpuls des Elektromagneten so nahe wie möglich im Bereich der Schwingungsmitte erfolgt, wäre ein kurzer, kräftiger Impuls von Vorteil. Hier stoßen wir auf den ersten großen Nachteil des direkten Antriebes, der durch den Effekt der Selbstinduktion von Spulen entsteht. Befindet sich ein elektrischer Leiter in einem sich verändernden Magnetfeld, so wird in ihm eine elektrische Spannung erzeugt. Dabei ist es egal, woher das Magnetfeld kommt und wie es sich verändert. Als Veränderung zählt, wenn der Leiter sich im konstanten Feld bewegt und dabei Feldlinien schneidet oder wenn sich die Dichte des den Leiter umgebenden Magnetfeldes ändert. Legen wir eine Spannung an unsere Spule, steigt ihr Magnetfeld von Null zum maximalen Wert an. Die Wicklungen der Spule befinden sich also in ihrem eigenen sich verändernden Magnetfeld, wodurch nach dem Lenzsche'n Gesetz dort eine der verursachenden Stromänderung entgegengerichtete Spannung erzeugt wird. Beim Einschalten verlangsamt sie also das Erreichen unseres Arbeitsstromes. Bei unserer Halbsekunden-Pendeluhr zum Beispiel dauert eine Halbschwingung 500ms. Bei einem guten Kontaktwerk dauert der Kontaktschluß 100ms, was übrigens um einiges kürzer als die Hebungsdauer einer mechanischen Hemmung ist. Mit einem Ohmmeter und der Pendelskale läßt sich der Pendelweg, während dem der Kontakt geschlossen ist, leicht ermitteln. Die Zeit ergibt sich, wenn man die Wege mit der Halbschwingungsdauer ins Verhältnis setzt. Ich habe mit dem Oszillographen gemessen, daß bei meiner Pendeluhr nach 2ms die volle Spannung erreicht wird. Die Verzögerung beim Erreichen des Arbeitsstromes durch die Selbstinduktion können wir also bei einer solchen Uhr vernachlässigen.
Ein- und Abschaltstromverlauf durch eine Spule (Quelle: Elektrotechnik von Ing. Werner Großstück) |
Die gleiche Wirkung wie beim Schließen des Kontaktes haben wir, wenn wir den Stromfluß unterbrechen. Das zusammenbrechende Magnetfeld der Spule erzeugt wieder eine Spannung in deren Wicklungen, wieder der Ursache entgegen gerichtet und damit in der gleichen Richtung wie die Arbeitsspannung. Die kann aber nicht abfließen, da ja der Kontakt schon geöffnet ist und erreicht schnell Vielfache Werte der Batteriespannung. So kann sie am sich öffnenden Kontakt einen Lichtbogen oder Funken erzeugen, um darüber abzufließen. Dieser Lichtbogen würde in kurzer Zeit die Oberflächen unserer Kontakte zerstören, es entstehen Zunderschichten, die isolierend wirken. Die Uhr würde stehenbleiben. Wenn wir das wissen, können wir nach Möglichkeiten suchen, dem Strom unschädlichere Wege zu bauen. Natürlich ist es aber erst mal besser, schon das Entstehen hoher Spannungen zu vermeiden.
Der konstruktive Kennwert für die entstehende Selbstinduktionsspannung der Spule ist deren Induktivität. Diese hängt davon ab, wie eng die Magnetfeldlinien gebündelt sind. Da wir eine punktuelle Wirkung des Magnetfeldes für den Antrieb brauchen, können wir die Induktivität nicht beliebig absenken. Wir sollten große Spulendurchmesser vermeiden und nach Möglichkeit keine Eisenkerne verwenden. Denn diese erhöhen die Induktivität beträchtlich. Ganz können wir das nicht vermeiden, weil schon der eintauchende Magnet ja einen Eisenkern darstellt.
geschlossener Eisenkreis bei einem Hipp`schen Antrieb |
Kurzschlußkontakt (im Bild rechts) an einer Hipp'schen Kontaktwippe |
Freilaufdiode an der Spule der GUB Elektrochron |
Die Spule ist aber nur ein Bauteil des Antriebes, sie muß mit einem zweiten Bauteil zusammenwirken, damit ihr elektromagnetisches Feld eine Antriebskraft erzeugen kann. Das können Anker aus Weicheisen, Dauermagneten oder eine zweite Spule sein. Der Kraftwirkung ist es dabei egal, ob die Spule sich mit dem Pendel bewegt und der Magnet feststeht oder umgekehrt. Beide Bauformen wurden schon realisiert, und auch hier muß man den für das eigene Empfinden richtigen Kompromiß finden. Entscheidend ist letztendlich die Qualität und Durchdachtheit der Ausführung.
Was beim direkten Antrieb von Schwingsystemen überhaupt gar nicht geht, ist ein Zusammenwirken von Spulen mit Eisenkern und einem Dauermagneten als Anker. Das würde auf das Pendel wie eine Raste wirken. Es macht wohl niemand absichtlich, aber durch den Restmagnetismus solcher Eisenkreis-Spulen kann es ungewollt dazu kommen.
Bei Brillie- und ATO-Uhren schwingt ein Stab- oder Hufeisenmagnet am Pendel in eine feststehende Spule ein.
Magnetfeld eines Brillié-Pendelmagneten |
Kupferring als "Wirbelstrombremse" an einer ATO |
Bei einer Präzisionsuhr sollte man auch schon durch geeignete Kontaktvorrichtungen dafür sorgen, daß die Amplitude nicht zu stark anwächst und nicht versuchen, den Fehler dann nachträglich am Pendel zu korrigieren.
Zum Abschluß möchte ich noch auf einen Effekt hinweisen, den man nutzen kann, wenn man mehrere Uhren betreibt. Wenn man Schwinger hat, deren Frequenz nahe beieinander liegt und diese miteinander koppelt (das heißt, sie können im Rhythmus ihrer Schwingungen geringe Impulse austauschen), dann tritt Resonanz auf, beide Schwinger schwingen gleich. Man kennt das auf mechanischem Wege von zwei Pendeln, die an einer Aufhängung befestigt sind (was auch ein Beweis dafür ist, daß das Pendel an die Aufhängung Energie abgibt). Durch die Resonanz halbiert sich der Fehler jedes einzelnen Systems. Man kann es so bauen, daß ein System dem anderen seine Frequenz aufzwingt oder daß sie sich beide annähern, sozusagen gleichwertig sind. Die elektrische Variante gestattet uns, das auch mit Uhren zu tun, die räumlich weiter voneinander weg angebracht sind. Bei Brillié gab es das in Form von Zusatzspulen.
Resonanzspulen an einer Brillie |
Das Magnetfeld der Hauptspule induziert im Rhythmus des Schwingers in dieser Spule Stromimpulse. Dann kann man in einfachen mechanischen Uhren am Pendel Magneten anbringen, die wie bei der Hauptuhr in Spulen eintauchen. So wird die elektrische Uhr den mechanischen ihren Takt aufzwingen, da deren induzierter Strom in den Spulen der mechanischen Uhren Magnetimpulse in ihrem Rhythmus erzeugt. Man könnte so sogar zwei mechanische Uhren elektrisch synchronisieren, indem man beide Pendel mit Magneten versieht und die beiden Spulen parallelschaltet.
ATO hat sein Nebenuhrsystem nach diesem Prinzip gebaut, allerdings gibt es hier in der Hauptuhr zwei Kontakte, die vom Pendel genau wie der eigene Arbeitskontakt betätigt werden. Die Nebenuhren haben auch Pendel wie die Hauptuhr, allerdings ohne Kontakt und mit halber Schwingungsdauer. Ihre Spulen erhalten die Impulse von der Hauptuhr und zwingen so die Pendel der Nebenuhren, in ihrem Rhythmus mitzuschwingen.
Nebenuhrsystem ATO |