Einteilung
der Hemmungen in Resonanz- und Sperrschwinger
Seit
es mechanische Uhren gibt, werden zwei Wege beschritten, um die Drehzahl des
Laufwerkes konstant zu halten, was ja mit dem genauen Gang einer Uhr
gleichbedeutend ist. Begonnen hat man (ohne sich vielleicht darüber bewußt zu
sein) eine Schwingung durch das Laufwerk selbst zu erzeugen und diese dann durch
ein Schwingsystem zu stabilisieren. Als Kinder haben wir uns ein
Kunststoffplättchen mit einer Klammer an der Schutzblechstrebe am Fahrrad
befestigt. Wenn es an den Speichen kämmte, geriet es in Schwingungen und
imitierte so ein Motorengeräusch. Die einfachste Möglichkeit, mit dem Laufwerk
eine Schwingung zu erzeugen, wäre also, ein Zahnrad zu nehmen und mit dessen
Zähnen eine Blattfeder zum Schwingen anzuregen. Die Antriebskraft des Laufwerkes
selbst erregt die Schwingung. Statt der Blattfeder kann man auch einen Anker
mit zwei Klinken (Grashopper-Prinzip), zwei Fahnen (Spindel) oder mit schrägen
Hebeflächen(Haken) verwenden. Nach diesem Prinzip funktionierten schon die
ersten Spindeluhren, die kein eigenständiges Schwingsystem haben. Es gibt keine
Spirale, die Waag wird durch die vom Laufwerk erzeugte Rückführung der
Spindelhemmung selbst zurückgeworfen. Da die rücktreibende Kraft nicht konstant
ist, ist es die Schwingungsdauer natürlich auch nicht. Um die Uhr regulierbar
zu machen, hat man die Waag gegen justierbare Schweinsborsten prellen lassen,
eine Vorstufe des Feder-Masse-Schwingers. Erst später bekam die Waag oder eben
die Unruh eine Spirale. Damit hatte man ohne es zu wissen ein ganz neues
Funktionsprinzip eingeführt. Bisher erzeugte ja das Laufwerk allein die
Schwingung. Nun hatte man ein eigenständiges Schwingsystem mit einer vom
Laufwerk unabhängigen Eigenfrequenz. Da man nach wie vor die rückführende,
nicht selbsthemmende Spindelhemmung verwendete, erregt zwar das Laufwerk über
den Anker immer noch die Schwingung. Diese wird aber durch das Schwingsystem
stabilisiert, indem zwischen der vom Laufwerk erzeugten Schwingung und der
Unruh Resonanz auftritt und diese dem Laufwerk ihre Eigenfrequenz aufzwingt. Da
die Resonanz nur dann auftritt, wenn die Frequenz der erzeugten Schwingung
nicht zu weit von der Eigenfrequenz des Schwingsystems entfernt ist, muß durch
die Dimensionierung der Hemmung und eine konstante Antriebskraft erst mal die
Erzeugerfrequenz eingerichtet werden. Wer jetzt meint, das sei alles Schnee von
vorgestern, der irrt gewaltig. Jede Quarzuhr funktioniert noch nach diesem
Prinzip.
Auch
mechanisch werden heute immer wieder Versuche unternommen, Uhren nach dem
Resonanzprinzip zu bauen. Junghans hat beispielsweise aus der ganz anderen
Motivation heraus, einen lautlosen Ablauf zu erreichen, einen Wecker mit einer
magnetischen Hemmung gebaut. Das umlaufende "Ankerrad" hat einen gezahnten,
magnetisierten Reif. Dieser läuft durch die magnetischen Enden einer
Stimmgabel, so daß diese vom Laufwerk zum Schwingen in ihrer Eigenfrequenz
angeregt wird. Dadurch synchronisiert sie wiederum die Ablaufgeschwindigkeit
des Räderwerkes.
Diese
Hemmung funktioniert nur dann, wenn die Drehzahl des Ankerrades ohne die
Stimmgabel nur wenig größer ist, keinesfalls darf sie unter die geregelte
Drehzahl abfallen.
Die
Firma De Bethune hat eine Armbanduhr mit einer ähnlichen Hemmung
"Resonique" auf den Markt gebracht.
Da
die meisten Hemmungen, die nach dem Resonanzprinzip arbeiten, rückführend sind ,
haben sie auch einen sehr guten Wirkungsgrad. Das Laufwerk muß ja nicht wie bei
ruhenden oder freien Hemmungen warten, bis der Schwinger durch den Nullpunkt
rast. Vielmehr kann es vom Nullpunkt an
schon Energie übertragen und sich in Ruhe gemeinsam mit dem Schwinger
"mitbeschleunigen". Der Antrieb beginnt, so wie Miki sich das an
seinem Kinderschaukel-Beispiel vorgestellt hat, am Umkehrpunkt der Schwingung.
Das
nutzt zum Beispiel die "Genequand-Hemmung". Es handelt sich dabei um
eine rückführende Grashopper-Hemmung, an deren Ankerwelle ein Feder
-Masse-Schwinger angebracht wurde. Es ist, wenn man genau hinschaut, nichts
weiter als eine High-Tech-Variante dieser historischen Hemmung. Das Laufwerk
selbst erzeugt die Schwingung und der Feder-Masse-Schwinger versucht, diese zu
stabilisieren. Sozusagen der Hakenpflug aus Titan und Carbon unter den
Hemmungen. Da man alles hochpräzise aus Silizium bauen kann, ohne Schmierung
auskommt und die Frequenz hochsetzt, erreicht man brauchbare Gangergebnisse. Entscheidend
ist hier der hohe Wirkungsgrad, die Uhr geht 70 Tage! Freilich ist es keine
uhrmacherisch saubere Schwingung, denn rückführend wirken nicht nur die
Silizium-Federchen, sondern auch das Laufwerk selbst und auch die Beinchen der
Grashopper-Klauen. Man hat wohl versucht, das mit der aufgesetzten Stimmgabel
zu kompensieren. Immerhin hat man zehn Jahre daran mit den Möglichkeiten eines
wissenschaftlichen Instituts entwickelt, davon kann mancher Uhrmacher nur
träumen.
Wir
wollen hier nicht darüber philosophieren, ob die zerbrechlichen
Silizium-Teilchen noch was mit Uhrmacherkunst zu tun haben. Es geht uns um das
Wirkprinzip, das eigentlich mit der Erfindung der ruhenden Hemmungen von den
Uhrmachern in den Papierkorb geworfen wurde und nun doch wieder interessant
wird, weil eben hier nicht am für den Wirkungsgrad ungünstigen Nullpunkt der
Impuls zugeführt wird, sondern während der ganzen Schwingung oder an deren
Umkehrpunkten.
Mit
der Einführung der ruhenden Hemmungen bediente man sich eines ganz anderen
Wirkprinzips. Das Laufwerk kann selbst keine Schwingung mehr erregen, es wird
gesperrt. Ohne Schwingsystem geht gar nichts. Dieses schwingt frei mit seiner
Eigenfrequenz und schaltet genau im Nulldurchgang die Sperrvorrichtung, also
den Anker, so um, daß ein Zahn durchgehen kann. Das Schwingsystem
"entsperrt" also das Laufwerk in seinem Rhythmus, und zwar genau an
dem Punkt, wo seine Bewegungsenergie am größten ist. Das aus gutem Grund, denn
zum Entsperren wird ihm Energie entzogen, es wird zum Teil empfindlich gestört.
Während man das noch durch die Qualität der Bauteile halbwegs beherrschen kann,
ist der gleichzeitig im Nulldurchgang erteilte Antriebsimpuls in der Richtung
der Bewegung der größte Nachteil. Keiner würde versuchen, sein Kind auf der
Schaukel in der Senkrechten anzuschieben, die freie Hemmung muß das tun. Und
nur so kann man bisher auch Uhren bauen, die sich mit handwerklichen Mitteln
vernünftig auch bei niedrigen Frequenzen regulieren lassen. Uhren, die stoisch,
egal, welche Kraft noch anliegt, immer gleichmäßig ticken. Das streben wir in
der Uhrmacherei an und nennen es Isochronismus. Es hat eine lange Entwicklung
bis dahin gebraucht, und ich möchte den Lesern mit dieser Untergliederung
wieder klare Sicht verschaffen in dem High-Tech-Dschungel. Erhalten wir uns den
Spaß an der Uhrmacherei. Um das zu schaffen, dürfen wir aber nicht
stehenbleiben. Auch wenn ich hier keine 100%ige Lösung präsentieren kann, ich
bin mir sicher, daß man auch eine Hemmung nach dem uhrmacherisch besseren Sperrschwinger-
Prinzip bauen kann, die viel mehr Energie zum Schwingsystem überträgt als die
gewöhnliche Ankerhemmung. Ziel sollte es sein, mit einer sauber arbeitenden
Lösung eine niedrigfrequent schwingende, lange gehende Uhr zu bauen.
Niedrigfrequent deshalb, weil wir doch das Spiel der Mechanik erleben wollen
und unsere Uhr Ruhe und Gediegenheit ausstrahlen soll.
Nebenbei
möchte ich noch auf eine geniale Uhr hinweisen, die von Herrn Ferner aus
Niederau für den Hausmannsturm in Dresden geschaffen wurde. Die Uhr hat einen
Anker, der auch Schwinger ist. Es ist ein Waagpendel, wie es früher verwendet
wurde, um Regulatorwerke in Buffetuhren einbauen zu können. Alle, die schon mal
so eine Uhr in den Händen hatten, wissen, daß es mit der Ganggenauigkeit nicht
weit her ist. Das Waagpendel wird von einer Nadelhemmung angetrieben. Nun hängt
hinter der Uhr noch ein schweres 2,5s-Pendel, was an sich völlig frei schwingt.
Das Pendel ist mit einem Magneten an den Anker gekoppelt, durch den sich beide
Schwinger synchronisieren. Das Waagpendel gibt die Antriebsimpulse an das
Pendel weiter, und dessen präzise Schwingung stabilisiert die Waag. Schade, daß
das sehr wenig bekannt ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen